2009 - Die Schweinegrippe – die H1N1-Influenza

Ende März / anfangs April 2009 erkranken die ersten Menschen in Mexiko und in den USA an der Schweinegrippe, der H1N1-Influenza. Schon am 11. Juni ruft die WHO Stufe 6 aus: Die Pandemie.  Der Virustyp H1N1 erinnert an den Erreger der Spanischen Grippe, der weltweit 2018/19 bis zu fünfzig Mio Menschenleben gefordert hat. Keine drei Monate nach den ersten Entdeckungen ruft die WHO die Pandemiestufe aus. Aber es geht nicht um die Schwere der Erkrankungen, sondern allein um die gemeldete Verbreitung des Virus.

Im Schnellverfahren werden in grosser Zahl Impfstoffe bewilligt und geordert. Das Virus ist weit weniger gefährlich als befürchtet. Der Impfstoff Pandemrix löst, wie viel später geklärt wird, vereinzelt Narkolepsie aus. In der Schweiz erhält bis heute kein Opfer eine Entschädigung. Im August 2010 erklärt die WHO die Pandemiephase für beendet. Die Ausrufung der Pandemie durch die WHO soll den Pharmakonzernen 18 Milliarden Dollar Zusatzeinnahmen in die Kassen gespült haben.

Stufe 6 bedeutet, dass die Zulassungsbehörden im Schnellverfahren über die Impfstoffe entscheiden können. Doch woher sollen die so schnell kommen? In der aktuellen Diskussion über die notwendige Entwicklungszeit für einen Corona-Impfstoff wird kaum je erwähnt, dass diese Problematik schon 2009 bestand:
Die Firmen Novartis und GSK, bereits in der Impfstoffherstellung gegen die Vogelgrippe aktiv, schaffen das Wunder:

«Dass sechs Monate nach dem Erkennen des neuen Virus ein sicherer und getesteter Impfstoff vorliegt, ist eine “Sensation”» sagt Thomas Zeltner, Direktor des Schweizer BAG.  Die Schweiz ordert 13 Mio Impfdosen für 84 Mio CHF, Deutschland bestellt Impfstoffe und Grippemittel für ca. 450 Mio Euro.  

Es handelt sich um Focetria von Novartis und Pandemrix von GlaxoSmithKline, beide werden mit sog. Adjuvanzien versetzt, Wirkverstärkern, welche Mengen und Wirksamkeit verbessern sollen. In den USA regt sich dagegen massiver Widerstand.  

Wie so einem Vorbehalt begegnet werden kann, verrät ein Zitat der Beratungs- und Marketingfirma Datamonitor:  

«Die beste Strategie, die Chancen für eine Zulassung eines neuen Adjuvans zu verbessern, ist, auf Indikationen mit hohem, aber bislang unbefriedigtem Bedarf zu zielen, für die keine anderen Impfstoffe zur Verfügung stehen». 

Es wird also den Impfstoffherstellern empfohlen, gezielt Notsituationen zu nutzen, um ein umstrittenes Produkt durch die Zulassung zu drücken. Die Direktorin der WHO-Impfstoffabteilung ist Marie-Paule Kieny – sie war zuvor bei Transgene S.A. beschäftigt, einer Pharmafirma, die strategische Partnerschaften zur Impfstoffherstellung mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche unterhielt.

Ende Oktober 2009 beziffert die WHO die Zahl der am H1N1-Virus Gestorbenen ein halbes Jahr nach dem Ausbruch auf 5700 Menschen.  

Das Virus ist weit weniger tödlich wie befürchtet. Es breitet sich viel rascher aus als die übliche saisonale Grippe, mit mehr Kranken, aber offenbar viel weniger Toten.  

Auch hierin zeigt sich eine Krux: Impfstoffe werden von den Staaten lange vor ihrer Fertigstellung geordert, das heisst im Beschaffungswettbewerb reserviert – mit unbedingter Abnahmeverpflichtung nach der Fertigstellung – und mit ebenso unbestreitbarer Übernahme aller Haftungsansprüche.
So lässt die Ausrufung von Phase 6 die Kassen der Pharma-Industrie risikofrei klingeln. Denn viele Pandemie-Impfstoff-Verträge sind längst abgeschlossen. Deutschland etwa hat sich schon 2007 dem britischen Konzern GlaxoSmithKline (GSK) gegenüber verpflichtet, GSK-Pandemie-Impfstoff zu kaufen – sobald Phase 6 ausgerufen wird.

Die Impfstoffbezüger sehen sich in einer Notsituation, die Ihnen durch die WHO-Deklaration von Stufe 6 bestätigt wird, und willigen in Verträge ein oder lösen sie aus, die aus dem Entwicklungsrisiko der Pharmaindustrie eine Gewinngarantie werden lassen. Die Verpflichtung gehen die Staaten wohlgemerkt ein, BEVOR es überhaupt ein fertiges Produkt gibt.

Und beim Impfstoff Pandemrix lässt sich heute nicht nur trefflich diskutieren, wie unnötig er gewesen sein mag. Nach langen, viele Jahre dauernden Kämpfen, ist erst anerkannt worden, dass er bleibende Impfschäden verursacht hat, durch die «unsaubere» Herstellung bei GSK bei der Beimengung der Adjuvanzien… Da zeigt sich das nächste Problem: Sobald ein Impfstoff einmal zugelassen ist, kehrt sich die Beweislast um: Jetzt müssen die Menschen, die wegen der Impfung krank werden, beweisen, dass die Krankheit von der Impfung kommt. Wie schwierig das ist, zeigt sich bei Pandemrix: In der Schweiz erkranken als Folge der Impfung – offiziell – neun Menschen an Narkolepsie. Aber auch keine dieser 9 Personen hat eine Entschädigung erhalten, obwohl die Krankheit unheilbar ist und den Alltag der Betroffenen stark beeinträchtigt. Angesichts des Leids ist die fehlende Anerkennung und Schuldübernahme seelisch sehr schwer zu ertragen. Dass in der Schweiz maximal 70000 Franken Entschädigungszahlung pro Opfer überhaupt möglich sind, klingt wie Hohn.  

Im verhältnismässig kleinen Massstab hat sich so 2009 bereits ereignet, was wir mit Corona akutell erneut erleben.

Und noch etwas geschieht hier, was bis heute heftig diskutiert wird:  

Just mit Beginn der ersten auftauchenden Fälle hat die WHO einen neuen Leitfaden für die Bereitschaft und Reaktion auf eine Influenza-Pandemie veröffentlicht. Das ständige Ringen um die Präzisierung und Anpassung von Definitionen für deren Einschätzung und die Festlegung der Gefährdungsstufe verunsichern – und das Timing der Publikation passt dazu. Es fördert die Glaubwürdigkeit der WHO nicht.  

In jedem Fall besagen die Regularien, dass Stufe 6 in Kraft tritt, wenn sich ein neues Virus unkontrollierbar in mehreren Regionen der Erde verbreitet. Über die Schwere der Erkrankung sagen sie nichts.

Tatsächlich aber verbinden die allermeisten Seuchenexperten den Begriff der “Pandemie” automatisch mit wirklich aggressiven Viren. Auf der Website der WHO war etwa in der Antwort auf die Frage “Was ist eine Pandemie?” von “einer enormen Anzahl von Todes- und Krankheitsfällen” die Rede:

«An influenza pandemic occurs when a new influenza virus appears against which the human population has no immunity, resulting in epidemics worldwide with enormous numbers of deaths and illness.»

und unter «Consequences of an influenza pandemic»:

«In the past, influenza pandemics have resulted in increased morbidity and mortality and great social disruption». 

jedenfalls bis zum 4. Mai 2009. Dann macht ein CNN-Reporter die Seuchenschützer auf den Widerspruch zur eher mild verlaufenden Schweinegrippe aufmerksam, und die Passage wird umgehend getilgt, die Seite ist nicht länger aufrufbar.

Dabei ist dieses Verständnis auch Ausdruck des 2007 aktualisierten nationalen Pandemieplans für Deutschland, in dem wörtlich festgehalten wird, es handle sich um

“eine langanhaltende, länderübergreifende Großschadenslage”. Sie verursache “derart nachhaltige Schäden, dass die Lebensgrundlage zahlreicher Menschen gefährdet oder zerstört wird”. 

Davon kann am 11. Juni 2009 keine Rede sein.

Im Licht der faktischen Handlungen und im Wissen um die Finanzierungsgrundlagen der WHO sind die Vorgänge in jedem Fall problematisch und im Ergebnis desaströs:

Mit den aktualisierten Leitlinien wird die Bekämpfung der Influenza per Impfung, eine Krankheit, die eigentlich nicht gefährlich ist, zu einem Dauergeschäft.